In diversen Medien wie dem Blick und auf Twitter, ausgelöst durch Mr. Arena, Sandro Brotz, wurde nach der Friedenskundgebung in Bern vom 11. März – wieder einmal – vehement gegen die Freiheitstrychler geschossen, sodass sich die Petitionsplattform Campax sogar dazu genötigt sieht, die Postfinance AG aufzufordern, den Freiheitstrychlern das Konto zu kündigen. Stein des Anstosses war dieses Mal das Wort „Harus“, das die Trychler – wie schon seit Monaten – beim sogenannten „Austrycheln“ laut rufen. Dass dies erst und gerade jetzt bemerkt und verurteilt wird, hat Gründe, die wir kennen, auf die ich aber hier nicht eingehen will. Im Anschluss sind zwei klärende Artikel in der Weltwoche (hier und hier) erschienen, die aber etwas zu kurz greifen.
Es geht um Begriffe. Begriffe sind Wörter, die durch häufiges Verwenden in Kontexten eine Bedeutung bekommen. Die Deutung eines Begriffs liegt eigentlich bei demjenigen, der den Begriff verwendet. Dies kann ein neuer, unerwarteter Kontext sein und zu Missverständnissen führen, aber so funktioniert Sprache. Begriffe können im Laufe der Geschichte eine andere Bedeutung erhalten, sofern eine Mehrheit der Gesellschaft diese im immer gleichen Kontext verwendet. Um die erste, eigentliche Bedeutung eines Begriffs zu verstehen, hilft nur der Blick auf die Etymologie und auf die Frage, in welchem Kontext der Begriff zum ersten Mal in Quellen auftaucht. Das Wort Minister ist z. B. urlateinisch und bedeutet „Diener“, in diesem Fall des Volkes. Das weiss heute fast niemand mehr, die Minister am wenigsten. Ein anderes Beispiel ist das deutsche Wort „toll“. Es stammt vom altgriechischen Wort für „Schlamm, Dreck“ und bezeichnet als Adjektiv oder Verb Eigenschaften und Verhalten eines Menschen, der im Schlamm steckt, nicht vorwärtskommt, träge ist, dessen Geist voller Schlamm ist etc. Es wurde bis weit in die Neuzeit stets abwertend verwendet, bis hin zur Bedeutung „verrückt, geistesgestört“, so dass man im Mittelalter „tolle“ Menschen in „Tollhäuser“ steckte, die Vorgänger der Irrenanstalten, heute psychiatrische Kliniken. Zum Glück verstehe ich heute einen Menschen richtig, der mir sagt, wie toll ich bin oder etwas gemacht habe.
Nicht erst, aber verstärkt seit drei Jahren erleben wir in der Welt der Medien, vor allem auch auf Social Media, einen heftig geführten Kampf um Begriffshoheit. Es scheint, dass jeder Mensch genau weiss, welcher Begriff in welche Schublade passt und was die Verwendung eines Begriffs über den Absender aussagt. So geschehen bei „Harus“.
Den Freiheitstrychlern wird vorgeworfen, mit dem Rufen von „Harus“die „Nazifratze“ (Originalton Campax) zu zeigen; die rechtsradikale Gesinnung, die schon immer, nach fast jedem unserer Auftritte, gebetsmühlenartig als Keule ausgepackt wurde, scheint sich mit diesem Wort zu bestätigen. Eine andere Erscheinung der vergangenen Jahre ist die beliebige und stakkatohaft vorgetragene Schlagwörterorgie, an der sich die gespaltene Gesellschaft zu ergötzen scheint. Wer gegen Coronamassnahmen ist, wird als Schwurbler („Schwätzer“), Nazi, Rechtsradikaler, Verschwörungstheoretiker etc. bezeichnet. Umgekehrt werden Menschen, die sich weniger kritisch verhalten oder äussern, als Schlafschafe, Idioten etc. hingestellt. Das Wort und seine eigenmächtige Verwendung waren immer schon eine wirksame Waffe im Krieg der Meinungen.
Die Kritik an den Freiheitstrychlern entzündete sich nicht an der Bedeutung des Wortes „Harus“, sondern an der Tatsache, dass in den 30er Jahren die Schweizer Frontenbewegung es als kämpferischen Ruf bei ihren Versammlungen verwendete. Die Frontisten waren in der Tat Nazis, da sie den Anschluss der Schweiz an Nazideutschland und die Abschaffung der Demokratie forderten. Zum Glück bestand diese politische Bewegung nur kurze Zeit. Der Bezug zu den Frontisten wird auch auf Wikipedia herausgestellt, so ist es zu erklären, dass der Mainstream so schnell auf die Kritik einstimmte. Weil schlechte Menschen einen Begriff in verwerflichem Kontext verwendeten und wieder bekannt machten, ist also jeder, der den Begriff später, in anderem Kontext verwendet, so schlecht wie diese. Dass dies ein intellektueller Kurzschluss ist, lässt sich sehr einfach am inflationär verwendeten Begriff „Verschwörungstheoretiker“ zeigen. Dieser taucht schon im 19.Jh. auf, wurde aber in der heutigen Verwendung von der CIA geprägt, die damit Zweifel an der offiziellen Version der Ermordung Kennedys abwürgen wollte. Ich könnte also jedem, der mich als Verschwörungstheoretiker bezeichnet, vorwerfen, er sei ein CIA – Agent. Wem das als absurd erscheint, soll nachdenken. Das gleiche machen nämlich Brotz, Blick und Campax.
Ein sachlicher Blick auf die Etymologie von Harus und die ursprüngliche Verwendung in der Geschichte, die man leicht im Schweizerischen Idiotikon nachvollziehen kann, zeigt folgendes:
Das Wort ist erstmals im 19. Jh. belegt und bedeutet ursprünglich „Haare aus“. Es war ein Ruf von sich prügelnden Banden junger Männer und scheint vor allem im Kanton Schwyz häufig verwendet worden zu sein, als Aufforderung zum Kampf, im Sinne von „komm nur, ich reiss dich an den Haaren“. Es wurde auch während der Schwyzer Fasnacht dieser Zeit verwendet, allerdings eher im scherzhaft – prahlerischen Ton. Ein Bericht über die Schlacht von Giornico (1478) enthält ebenfalls den Schlachtruf Harus, so der Eintrag im Idiotikon.
Der berühmte Schwyzer Mundartdichter Meinrad Lienert (1865 – 1933) nennt in seiner Erzählung von der Schlacht bei Morgarten (1315) zweimal das Wort als Schlachtruf der Schwyzer Truppen, mit dem sie erfolgreich in den Kampf gezogen seien. Der Popularität und Nachwirkung von Lienert ist es wohl zu verdanken, dass seine Erzählung vor allem im Kanton Schwyz bis heute als Geschichtsschreibung verstanden wird, was natürlich nicht stimmt. Es gibt gemäss meiner Recherchen keine zeitgenössische Quelle, die den Schlachtruf belegt. Was nicht heisst, dass es falsch ist, Lienert könnte auch Quellen benutzt haben, die uns nicht mehr vorliegen. Der anonyme User, der den Wikipedia – Eintrag am 18. März, 20.43 Uhr änderte, hat vieles richtig erkannt. Seine Behauptung, dass der Schlachtruf aus „sagenhaften Fiktionen“ der 30er Jahre stammt, ist dagegen falsch und dient dem Framing der Freiheitstrychler als Nazis. Lienert schrieb seine Sagen nämlich 1914. Missbraucht wurde der Begriff von Frontisten in den 30er Jahren, was die neueste Fassung von Wikipedia bestätigt.
Fazit: Harus wurde im 19. Jh. als kämpferisches Wort verwendet und durch Meinrad Lienert mit der Alten Eidgenossenschaft und ihrem Freiheitskampf verbunden. Das 19. Jh ist kein Zufall: Damals hat sich der Staat vermehrt auf die Ursprünge der Eidgenossenschaft besinnt, die Tellsage wurde zur Gründungsgeschichte, damals hat die Regierung auch 1291 als Gründungsjahr festgelegt, obwohl der zuständigen Kommission bekannt war, dass der Rütlischwur erst 1315 stattgefunden hat. Aber 1891 stand bevor, man wollte für eine Jubiläumsfeier nicht länger warten.
Auf der e-periodica Seite der ETH Zürich existieren 608 Einträge zum Wort Harus, vor allem aus militärischen Zeitschriften aus alter und neuer Zeit, die den Schlachtruf ebenfalls belegen. Hier liegt aber ein etymologisches Problem vor: Schon das Idiotikon weiss, dass Haarus später zu harus im Sinne von heraus, vorwärts umgedeutet wurde, was aufgrund von linguistischen Gesetzmässigkeiten eine Fehldeutung ist. Dennoch zeigen die Quellen, wie der Ruf im Laufe der Jahrhunderte verstanden und verwendet wurde und dass die Frontisten diesen für ihre Propaganda missbrauchten.
„Harus“ wird bis heute jedes Jahr an der Schwyzer Fasnacht gerufen, der Männerchor Schwyz sang zur Jubiläumsfeier 1991 ein Lied mit dem Titel „Haarus“. All dies geschah, ohne dass Zeitungen die Fasnächtler oder Sänger als Frontisten oder Nazifratzen bezeichneten.
Wenn wir Freiheitstrychler Harus rufen, tun wir das bewusst und immer im Zusammenhang mit den Werten „Frieden, Freiheit, Souveränität“. Wir sehen uns als Verteidiger der Verfassung, die seit drei Jahren von Regierungen, Behörden und der staatlich geförderten Medienpropaganda akut bedroht wird. Wir sind und bleiben kämpferisch und nehmen uns die energische und entschlossene Haltung der Alten Eidgenossen zum Vorbild. Wir setzen uns laut, aber stets friedlich für die Werte ein, für die auch unsere Ahnen erfolgreich kämpften. Die Schweiz war einst in der ganzen Welt bekannt für diese Werte, die jeder Mensch von Natur aus als Grundrechte besitzt. Der Staat ist per Verfassung dazu da, seinen Bürgern Frieden, Freiheit und Souveränität zu ermöglichen. Wenn er dies nicht tut, müssen sich die Menschen in eigenem Interesse dafür einsetzen. Wir tun dies weiterhin mit den Glocken, die schon immer dazu dienten, böse Geister zu vertreiben und den Menschen Mut zu machen.
M. H. Mediensprecher Freiheitstrychler
https://digital.idiotikon.ch/idtkn/id1.htm#!page/10555/mode/1up
https://de.wikipedia.org/wiki/Harus!
https://weltwoche.ch/daily/debatte-um-alten-schlachtruf-wikipedia-veraendert-kurzerhand-einen-eintrag-um-die-freiheitstrychler-in-verruf-zu-bringen/
https://www.youtube.com/watch?v=Q0EfznaAat8
https://weltwoche.ch/daily/srf-moderator-sandro-brotz-wittert-rechtsextremismus-bei-den-freiheits-trychlern-er-irrt/
https://www.sagen.at/texte/sagen/schweiz/allgemein/schlacht_morgarten.html
https://www.e-periodica.ch/digbib/dossearch?ssearchtext=Harus&facet=
https://de.wikipedia.org/w/index.php?diff=231814562&oldid=231784859